Auf den ersten Blick sieht das historische Fachwerkhaus von Familie Huck nicht ungewöhnlich aus: Hübsch ist es mit der stolzen Fassade aus roten Klinkersteinen, durchzogen von dunklen Holzbalken. Wohnlich mutet es an, äußerst liebevoll gepflegt und über Jahrhunderte hinweg erhalten. Nur ein voluminöser Regenwassertank und etliche Solarmodule auf dem Dach sowie eine Wallbox an der Wand lassen vermuten, dass sich die Bewohner:innen Gedanken machen über Ressourcenerhalt und Klimawandel.
Wer jedoch genauer hinsieht, kann die „Grüne Hausnummer“ links vom Hauseingang entdecken. Spätestens in diesem Moment wird klar, dass es sich hier um einen besonderen Ort handeln muss. Die gemeinsam von der Klimaschutzagentur Region Hannover und der Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen (KEAN) verliehene Auszeichnung „Grüne Hausnummer“ honoriert das außergewöhnliche Engagement von Hauseigentümer:innen für den Klimaschutz durch energieeffizientes Bauen oder entsprechende Sanierungen. Was an der Straße Im Stiefel im Gehrdener Ortsteil Lenthe eher unscheinbar daherkommt, entpuppt sich beim Hausbesuch als echte Pionierleistung – und als gutes Beispiel dafür, dass Energieeffizienz keineswegs nur bei Neubauten, sondern auch bei Bestandsgebäuden machbar ist.
Vor-Ort-Beratungen von Energieberater:innen
Als Claudia und Stefan Huck Ende 2018 die 1837 erbaute und Ende der 1940er Jahre zum Wohnhaus mit angrenzendem Dorfladen umgebaute Scheune kauften, ahnten sie zunächst nicht, worauf sie sich eingelassen hatten. Erst nach einigen Vor-Ort-Beratungen mit Energieberater:innen und einem Zimmereibetrieb wurde ihnen klar, dass aus dem geplanten Einzug im darauffolgenden Frühjahr wohl eher nichts werden würde. Was die Eltern von Mila und Mattis (heute 9 und 12 Jahre alt) damals jedoch nicht wussten: Sie würden Durchhaltevermögen brauchen. Bis zum Einzug sollten zweieinhalb weitere und bis zum Abschluss der Gesamtsanierung noch einmal zweieinhalb Jahre vergehen. Doch die Arbeit, die Ausdauer und nötige Beharrlichkeit haben sich gelohnt: Das Gebäude unterbietet heute den geforderten KfW-Effizienzhausstandard „Denkmal“ von 160 locker um knapp die Hälfte. „Ich schätze, wir liegen so bei 85 Prozent“, sagt Stefan Huck.
Fast alles selbst geplant und ausgeführt
Ökologische Baustoffe kommen zum Einsatz
Zunächst kümmerte sich das Ehepaar um die Beseitigung zahlreicher „Bausünden“, anschließend ging es an den Wiederauf- beziehungsweise Neubau von Innenräumen und dem Dachgeschoss. Zum Einsatz kamen dabei vor allem ökologische Baustoffe wie beispielsweise Lehm. Wo immer es möglich war, verwendeten die Hucks zudem vorhandenes Material wieder.
Als dieser „Rohbau“ dann fertig war, ging es an die eigentliche energetische Sanierung. Die Außenfassade wurde an drei Seiten mit Lärchenholz verkleidet und wie auch Teile der Dachschrägen und oberen Geschossdecke durch eine Zellulose-Einblasdämmung isoliert. Die historischen Ziegelsteinfassaden an der Straßenseite konnten erhalten bleiben, indem eine Innendämmung mit Holzfaserplatten mit einer Kerndämmung (Hohlraum im zweischaligen Mauerwerk) kombiniert wurde. Der Giebel wurde zudem mit historischen Eichenbalken und Ziegelsteinen im Reichsformat neu aufgebaut und mit dreifach verglasten Fenstern gut für die Zukunft aufgestellt. „Erst durch diese Erhaltungsmaßnahme (bei gleichzeitiger Verkleidung und Dämmung der restlichen Fassaden) konnte unser Haus den Status als erhaltenswertes Baudenkmal behalten“, erklärt Stefan Huck.
Als Übergang wurde eine Holzpelletheizung eingebaut
Der ursprüngliche Plan, Geothermie für die Heizungsanlage zu nutzen, scheiterte zunächst an zu kostspieligen Bohrungen, doch: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben, wie man so schön sagt. Als Übergang sorgen eine Holzpelletheizung mit Partikelabscheider und eine Solarthermieanlage für warmes Brauchwasser sowie behagliche Wärme im ganzen Haus – im gefliesten Bereich durch eine Fußboden-Flächenheizung, in Räumen mit Holzböden durch eine Wandheizung. Und weil das gesamte Haus von innen mit diffusionsoffenem Lehm verputzt ist, herrscht überall ein sehr angenehmes Raumklima.
„Wir wollen zum Nachmachen anregen“
Claudia und Stefan Huck haben aus einem Fachwerkgebäude der schlechtesten Energieeffizienzklasse K in Eigenleistung ein KfW-Effizienzhaus Denkmal (oder KfW-Effizienzhaus 85 oder besser) gemacht und das mit dem Einsatz von ökologischen Bau- und Dämmstoffen und unter Wahrung des historischen Fachwerkcharakters. „Wir wollen mit diesem Einsatz und dem Ergebnis zum Nachahmen anregen“, so Stefan Huck. Dafür brauche es viel Mut, eine Vision und Ausdauer. Darüber benötige man ein Netzwerk aus Berater:innen und Handwerker:innen, das man sich mühsam aufbauen müsse. „Solch ein Projekt braucht Zeit, Geduld und ein behutsames Vorgehen.“ Hier kann ein sogenannter individueller Sanierungsfahrplan (ISFP) helfen.
Viele ältere Gebäude könnten erhalten werden
Der engagierte Mann ist sich sicher: Mit viel Eigenleistung und einer gut überlegten Finanzplanung könnte vielen älteren Gebäuden, die aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten zunächst als nicht sanierbar gelten, ein neues Leben geschenkt werden. „Das schöne Ergebnis mit einer sehr behaglichen Wohnatmosphäre und sehr niedrigen Energiekosten zeigt, dass sich die Mühen gelohnt haben“. Die Klimaschutzagentur Region Hannover sieht das Engagement und Durchhaltevermögen der Familie Huck als gelungenes Beispiel für energieeffizientes Sanieren. Zu Recht gab es dafür eine Grüne Hausnummer!
Neben den Hucks haben im Rahmen einer Feierstunde in Hannover 39 weitere Häuser in der Region Hannover die beliebte Auszeichnung von der Klimaschutzagentur Region Hannover erhalten.


