Die Idee, mit Stroh Häuser zu bauen gab es schon in früheren Zeiten. Denn Stroh ist ein klimafreundliches, regional verfügbares Abfallprodukt, frei von Schadstoffen, das sich hervorragend zur Dämmung eignet. In jüngster Zeit erwärmen sich immer mehr Menschen, die klimabewusst bauen wollen, für die ökologisch vorteilhafte Strohballenbauweise. In Deutschland sind bereits rund 1.000 Häuser mit Holz, Stroh und Lehm errichtet worden, wie der NDR kürzlich in einer Doku berichtete.
Auch Lisa und Jens Ramhorst in Hemmingen-Hiddestorf behagte die Idee eines Massivhauses nicht. Die Suche danach gaben sie bald auf. Dann, vor 7 Jahren, wurde in ihrem Heimatdorf ein Neubaugebiet ausgeschrieben. Also selber bauen. Und zwar richtig! „Für mich fühlte sich Stroh als Baustoff schon immer gut an, lange bevor ich überhaupt ans Bauen dachte“, sagt Jens Ramhorst. „Nachdem wir das Grundstück gekauft hatten, haben wir uns erstmal schlau gemacht. Dabei sind wir auf den Fachverband Strohballenbau Deutschland e.V. (FASBA) in Verden gestoßen. Und dann haben wir erfahren, dass in Bredenbeck am Deister ein Architekt bereits zwei Häuser mit Stroh und Lehm gebaut hatte. Eine Familie hat uns in ihr Strohballenhaus eingeladen, das gab den entscheidenden Kick!“ Und der Architekt wurde auch der Ihre.
Viel Eigenarbeit eingebracht
Dass am Ende mindestens 60 Prozent Eigenarbeit in den Hausbau geflossen sind, macht sie heute noch stolz und zufrieden. Mit fachlicher Anleitung kann das Einbringen von Strohballen in die Fächer des Holzständerwerks auch von Laien ausgeführt werden, es dauert bloß einiges länger, als wenn Profis das machen. Wichtig ist auch eine gute Qualität des Strohs, die Halme dürfen beim Dreschen nicht zerstört werden. Ein bereits darin erfahrener Bauer in Bredenbeck konnte die Ballen in der gewünschten und vor allem gleichmäßigen Größe liefern. In einer regenfreien Wetterphase wurden sie dann mit Körperkraft und großem Holzhammer in die Fächer gepresst. Die Ballen müssen dicht komprimiert sein, damit wenig Sauerstoff in ihnen ist, das hält nicht nur Insekten oder Feuchtigkeit draußen, sondern dient auch dem Brandschutz. Baustrohballen sind ein zugelassener Baustoff mit Brandschutzfaktor F90 und mit einer Wärmeleitfähigkeit, die die aktuellen Anforderungen an Wärmeschutz übertrifft. Als Nächstes erhalten die Strohwände außen und innen in mehreren Durchgängen Lehmputzschichten, die in den Innenräumen gestrichen werden können. Die Außenfassade mit einer Dämmstärke von 40 Zentimetern wurde in Hiddestorf abschließend mit Kalkputz geschützt.
Die Lehmarbeiten lagen hauptsächlich in Frauenhand. Lisa Ramhorst erlebte bei der Zusammenarbeit mit zwei professionellen Lehmputzerinnen so viel Freude, dass die Kinderkrankenschwester beinahe ans Umsatteln dachte, erzählt ihr Mann. „Während es draußen über 30 Grad heiß war, haben sie in den von der Feuchtigkeit des Lehms angenehm gekühlten Innenräumen arbeiten können. Eine wunderbare Tätigkeit, den Lehm mit den Händen aufzutragen“, schwärmt Lisa Ramhorst heute noch. Das Werden ihres 2014 fertiggestellten Hauses hat sie in einem informativen, reich bebilderten Baublog dokumentiert, der allen Nachahmerinnen und Nachahmern anhand eines Schlagwortregisters nahezu alle wichtigen Fragen beantwortet: strohballen-haus.eu.


Ökologisch durch und durch
Die Reihe der ökologisch hochwertigen Baustoffe setzt sich im Haus der Ramhorsts fort: Schaumglasschotter für das Fundament, Zwischenwände mit Kalksandsteinen, Böden aufgebaut mit Grünlingen und belegt mit Holzdielen, aus Holz auch die Fensterrahmen. Der Clou ist ein Grundofen mit Sitzbank, der unter der ins Obergeschoss führenden Treppe gebaut wurde. Mit seinen wärmeabführenden Rohren und Schläuchen reicht er aus als einzige Wärmequelle des Hauses und hat auch obendrein ein Fach fürs Pizzabacken. Die Idee des Grundofens kam vom Architekten, Jens Ramhorst hat begeistert mit daran gebaut. Nach einem Ofenbaukurs versteht sich. Für die bunte Verfliesung war wieder Lisa Ramhorst aktiv. Ressourcen schonend ist auch die Strom und Warmwasserversorgung: Die Photovoltaikanlage ist gerade auf 15 Kilowatt erweitert worden und ersetzt damit die bisherige Solarthermieanlage.

„Viele Menschen haben uns in der Bauphase besucht, auch Handwerker, die gehört hatten, dass da ein Grundofen gebaut wird, oder Zimmerleute, die auch gern einmal traditionell mit Stroh arbeiten würden“, erzählt Jens Ramhorst und ergänzt: „Ein Strohballenhaus ist nicht günstiger als ein Massivhaus. Das Material ist günstiger, aber dafür ist das Verbauen teurer. Bei herkömmlichen Neubauten ist es umgekehrt. Die Herstellung konventioneller Dämmstoffe setzt aber CO2 frei, das geschieht bei Stroh nicht. Unser Haus ist praktisch kompostierbar, es enthält so gut wie keine Technik.“
Auch nach 7 Jahren Wohnen im Strohballenhaus hält die Begeisterung der Familie Ramhorst an. „Für Leute, die gern selbst anpacken, ist ein Strohballenhaus eine gute Sache. Das Wohnklima ist fantastisch.“ Und weil klimafreundliches Bauen nicht nur nachahmenswert, sondern auch auszeichnungswürdig ist, trägt das Haus seit 2019 eine „Grüne Hausnummer“, vergeben von der Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen in Kooperation mit der Klimaschutzagentur Region Hannover.

Bildquelle: ©Mirko Bartels