Wenn aus einem ehemaligen Kuhstall hochmoderner energiesparsamer Wohnraum für sechs Parteien wird, dann ist das eine Auszeichnung wert, befand die Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen (KEAN) in Kooperation mit der Klimaschutzagentur Region Hannover. In diesem Fall sogar eine ganz besondere: Gleich sechs „Grüne Hausnummern“, von 2a bis 2f, zieren die auf zwei Ebenen errichteten Wohnungen, die Ende 2020 in Brelingen (Wedemark) bezogen wurden. Mit „Grünen Hausnummern“ wird seit 2016 das Engagement von Gebäudeeigentümern für den Klimaschutz honoriert und zugleich sichtbar gemacht für die Öffentlichkeit. Ausgezeichnet werden energiesparende Neubauten und eben auch energieeffiziente Sanierungen wie die auf der Hofstelle der Familie Hemme senior. Das alte Gebäude mit einer Gesamtwohnfläche von 447 Quadratmeter war eines von 79 im Jahr 2020 ausgezeichneten Projekten.
Neuer Wohnraum für sechs Mietparteien
Das Hofgebäude aus dem Jahr 1909 ist nach seiner Runderneuerung kaum wiederzuerkennen. Es zeigt sich optisch und energietechnisch aufgewertet nun zukunftsfähig von einer klima- und ressourcenschonenden Seite. Wo ab den 1960er bis in die 1990er Jahre Kühe standen und später Gemüse sortiert wurde für Hofladen und Markt der Biobauernfamilie, leben nun sechs Mietparteien in den jeweils ca. 74 Quadratmeter großen Wohnungen inklusive Spitzboden: Familien mit Kindern, Singles, und auch eine Seniorin. Die drei unteren Wohnungen sind barrierefrei errichtet, die oberen erreicht man über eine Außentreppe. Im angrenzenden Wohnhaus leben die Eltern von Hermann Hemme junior, der mit seiner Frau Silvia Rotermund-Hemme den ca. 500 Meter entfernten Biohof Rotermund Hemme betreibt. Außer eigenen Erzeugnissen vertreibt der Biohof auch Gemüse und Obst von Biolandbetrieben aus der Region, auch auf drei Wochenmärkten in Hannover.
Wir hätten das Gebäude auch abreißen lassen können, denn es konnten nur die Außen- mauern und das Trägerwerk bleiben. Auch das Dach stellte sich als marode heraus. Aber wir wollten eine individuelle Lösung und keinen Neubau.
Hermann Hemme junior, Betreiber des Biohof Rotermund Hemme
Damit führen Hermann Hemme und seine Frau, und in nächster Zeit auch ihre zwei Kinder, weiter, was die Eltern aufgebaut haben. „Ein wenig zögerlich haben meine Eltern die Vorstellung schon aufgenommen, dass plötzlich andere Leute mit auf dem Hof leben sollten“, erzählt Hermann Hemme junior, aber die Bedenken haben sich schnell gelegt. Hermann Hemme senior und seine Frau Erika betrachten die auf dem Hof spielenden Kinder mit Wohlwollen. Ganz begeistert zeigt der Senior auch auf die alten Bäume, zwei Eichen und eine großgewachsene blühende Kastanie: „Die hat meine Frau gepflanzt!“ „Das ist schon 50 Jahre her“, ergänzt der Sohn lächelnd. Erinnerungen hängen manchmal mehr an mitgewachsenen Bäumen als an einem alten Stallgebäude. Und diese gilt es dann unbedingt zu erhalten.
„Unsere Vorgabe war, dass sich diese Umbaumaßnahme tragen sollte. Für uns ist die Vermietung auch Altersabsicherung“, erzählt Hermann Hemme. Dank einer Empfehlung hat es mit einer passenden Finanzierung geklappt. Der Architekt, zugleich Maurermeister, hat die komplette Bauleitung zu einem Festpreis übernommen. „Wir hätten das Gebäude auch abreißen lassen können, denn es konnten nur die Außenmauern und das Trägerwerk bleiben. Auch das Dach stellte sich als marode heraus. Aber wir wollten eine individuelle Lösung und keinen Neubau“, sagt Hemme.
Holzpelletheizung und Solaranlage
Das ursprüngliche Ziegelmauerwerk der Außenwand mit den abgesetzten Ziegelpartien ist unter einer 40 cm dicken Klinkerfassade mit Holzwolledämmung nun zwar nicht mehr sichtbar, aber die Vorteile des Wohnkomforts und der Energieeinsparung liegen auf der Hand. Das neu mit 24 cm Faserdämmstoff aufgebaute Dach, die 3-fach verglasten Fenster und die gut gedämmten Haus-/Wohnungstüren sowie die Fußbodenheizung in beiden Geschossen tragen dazu erheblich bei. Außerdem kommen nur erneuerbare Energieträger zum Einsatz: Ein Holzpellet-Brennwertgerät sorgt für die Beheizung und Warmwasserversorgung der neuen Wohnungen und des angeschlossenen Hauses der Eltern. Solarflachkollektoren (8 Quadratmeter) auf dem Dach eines weiteren Nebengebäudes übernehmen in der sonnenreichen Jahreszeit die Warmwasserbereitung in Kombination mit dem 1200 Liter fassenden Pufferspeicher. Jede Wohnung verfügt über eine Übergabestation.
Dank all dieser, mithilfe regionaler Gewerke in guter Abstimmung ausgeführten Maßnahmen, erreicht das mit einem KfW-Darlehen umgebaute Gebäude einen KfW-Effizienzhausstandard von 55 nach EnEV 2016. Für die Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen ist das Projekt, das „Wohnraum auf dem Land ohne Neuflächenversiegelung“ geschaffen habe, deshalb ein „Vorzeigebeispiel für eine hocheffiziente Sanierung und Umnutzung von ländlich genutzten Gebäuden“.
Bildquelle: ©Martina Hoffmann